DIE PREISTRÄGERINNEN UND PREISTRÄGER
Auf der feierlichen Prämierungsveranstaltung in der Potsdamer Schinkelhalle wurden die Preisträgerinnen und Preisträger der vier Wettbewerbskategorien „Unternehmensnachfolge“, „ Existenzgründerin“, „Gründung mit Migrationsgeschichte“ und „Publikumspreis“ ausgezeichnet. Über die erfolgreichsten Gründerinnen und Gründer der drei Spartenkategorien entschied die Jury. Den Preisträger des Publikumspreises ermittelten die anwesenden Gäste per Live-Voting.
Hier stellen wir die vier Preisträgerinnen und Preisträger mit ihren ganz persönlichen Gründungsgeschichten vor.
Andy Manz
Manz LandmaschinenGmbH
„Die größte Leistung eines Unternehmers ist nicht, irgendwas aufzubauen oder zu wachsen. Sondern: Bekommt er eine vernünftige Struktur hin, funktioniert das auch in der nächsten Generation?“
Andy Manz ist 18, als ihn sein Vater das erste Mal alleine aufs Feld schickt: einen Mähdrescher reparieren. Bei der Ernte zählt jede Stunde. Nur bei trockenem Wetter kann geerntet werden. Und wenn Weizen zu lange steht, verliert er an Wert. Die Kette des Mähdreschers ist gerissen. Andy Manz muss das Kettenschloss öffnen. Dafür braucht es einen gezielten Schlag. Zweimal geht es daneben, beim dritten Schlag trifft er den Daumen des Bauern. Als der aufjault, weiß Andy Manz: der nächste Schlag muss sitzen. Er holt aus. Peng! Die Ernte kann weitergehen.
Andy Manz behält die Nerven: Fehler passieren, Probleme gibt es andauernd. Dann muss man halt was unternehmen: Dafür bin ich ja Unternehmer, sagt er. Andy Manz führt die Manz Landtechnik in dritter Generation. Das Familienunternehmen gründet der Großvater in Fürstenwerder: 1958 macht er sich als Hufbeschlagschmied selbstständig. 1988 steigt Schwiegersohn Falko Manz, Andy Manz‘ Vater, mit ein, als gelernter Landmaschinen- und Traktorenschlosser. Als es nach der Wende den Kreisbetrieb für Landtechnik nicht mehr gibt, kommen die Bauern mit ihren kaputten Traktoren oder Mähdreschern zu ihm. Bald brauchen sie für die Reparatur der großen Maschinen mehr Platz. „Landmaschinenservice und Metallbau Falko Manz“ zieht in den heutigen Betriebsstandort in Nordwestuckermark.
2019 übernimmt Andy Manz das elterliche Unternehmen. „Vom Hufbeschlag zur Weltraumtechnik“ fasst Andy Manz die Geschichte des Familienunternehmens zusammen: Zu dem Geschäftsbereich Reparatur kommen jetzt Beratung und Verkauf von Landmaschinen, die heute mit GPS und anderen digitalen Steuerungssystemen ausgestattet sind. Seine Eltern sind bis heute dabei: Sein Vater leitet einen Bereich der Werkstatt, seine Mutter ist in der Verwaltung – und die gute Seele des Betriebes.
Andy Manz hat in Mannheim Maschinenbau studiert und danach berufsbegleitend Agrarmanagement. Mit 28 Jahren ist er Geschäftsführer bei einem großen Landmaschinenvertrieb. Der Plan war, Gesellschafter des Unternehmens zu werden und das elterliche Unternehmen zu übernehmen. Das hat nicht geklappt. Er fängt noch einmal ganz von vorne an: 2017 gründet er die Manz Landmaschinen GmbH. 2019 kann seine GmbH den elterlichen Betrieb übernehmen. Manz Landtechnik investiert in ein neues Firmengebäude in Nordwestuckermark, legt seit 2019 30 Prozent Wachstum hin und ist heute mit knapp 50 Beschäftigten der größte Arbeitgeber am Ort.
„Es wäre schön, wenn das Unternehmen in der Familie bleiben könnte“, sagt er. Ein Unternehmen aufzubauen, das in seiner Struktur auch noch in Zukunft und für die nächste Generation funktioniert – das sei schließlich der größte Erfolg eines Familienunternehmers.
Lucie Töpfer
pyropower GmbH
„Ich weiß, wie Umweltschutz funktioniert, aber ich will auch den Hebel haben, um wirklich etwas umzusetzen – um Produkte zu generieren, die Umweltschutz aktiv mit begleiten.“
Lucie Töpfer wollte eigentlich Wissenschaftlerin werden: Sie liebt die Natur. Als Kind wünscht sie sich ein Mikroskop. Sie forscht, statt zu malen. Dass sie heute Existenzgründerin ist, hat auch mit ihrer Liebe zur Natur zu tun. Sie ist davon überzeugt, dass sie so am meisten für den Umweltschutz erreichen kann. Mit pyropower hat sie große Ziele: „Im Grunde geht es darum, die Welt zu retten“, sagt sie.
Ihr Unternehmen entwickelt ein innovatives Pyrolyse-Blockheizkraftwerk, das nicht nur grüne Energie produziert – sondern auch Kohlenstoff bindet. Durch den Pyrolyseprozess wird Biomasse in Strom, Wärme und Pflanzenkohle umgewandelt, wobei ein Großteil des Kohlenstoffs in der Kohle gebunden bleibt. Mit pyropower kann Strom und Wärme also nicht nur CO2-neutral gewonnen werden, sondern sogar CO2-negativ! Die Pflanzenkohle, die entsteht, kann in der Landwirtschaft eingesetzt werden: Sie hilft Böden, Wasser zu speichern und Nährstoffe verfügbar zu halten.
Lucie Töpfer ist in Finsterwalde aufgewachsen. In Cottbus studiert sie Landnutzung und Wasserbewirtschaftung und zusätzlich, parallel im Fernstudium, Betriebswirtschaftslehre. Vor drei Jahren hat sie pyrpower gemeinsam mit einem Kollegen gegründet.
Es war eine Bauchentscheidung, die sie nicht in Frage stellt. Aber aus dem Umfeld kommen Bedenken: Willst Du wirklich deine Festanstellung aufs Spiel setzen? Und überhaupt – ein Unternehmen gründen und leiten: Wie soll das gehen, mit Familie? Lucie Töpfer findet es schade, dass viele Frauen immer noch gedrängt werden, sich zu entscheiden: Familien- oder Arbeitsleben? Es muss sich noch viel verändern, in den Köpfen und bei den Rahmenbedingungen: Auch als Gründerin oder Gründer braucht man nicht 60 Stunden im Büro zu sein, müssen Homeoffice und flexible Arbeitszeiten möglich sein. Sie setzt sich ein für mehr Gleichberechtigung in der Arbeitswelt – im Lausitzer Frauen Netzwerk, als Mentorin, Vorbild und Chefin.
Die Firma, für die ihr Mit-Gründer und sie einmal gearbeitet haben und die auch nachhaltige Energiesysteme entwickelt, haben sie gerade übernommen. Lucie Töpfer möchte möglichst schnell möglichst viele PyroPower-Systeme an den Markt bringen. Denn mit jedem lassen sich ungefähr 2000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Vielleicht klappt das ja noch – mit der Rettung der Welt.
Dr. Muhammad Sukmana
Mitigant
„Wir möchten der Champion für Cloud-Sicherheitslösungen in Europa werden.“
„Ein Startup zu gründen, ist wie Achterbahn fahren. Es geht bergauf, bergab, scharf um die Kurve und manchmal steht die Welt auf dem Kopf. Du musst es schaffen, diese wilde Fahrt zu genießen. Und zwar jeden Moment, nicht nur den, wenn es bergauf geht“, sagt Dr. Muhammad Sukmana. Vor drei Jahren beginnt seine Achterbahn-Fahrt: Gemeinsam mit drei Mitgründern setzt er Mitigant aufs Gleis.
Gemeinsam entwickeln sie eine Software as a Service-Lösung, für Unternehmen, die ihre digitale Infrastruktur nicht mehr auf einem lokalen Server haben – sondern in der Cloud. Immer mehr Unternehmen ziehen in die Cloud um – sie müssen umziehen wegen der großen Datenmengen. Gerade, wenn sie mit KI arbeiten. Damit die Firmendaten dort sicher sind, gibt es Mitigant: Mitigant spürt Sicherheitslücken auf – und hilft, diese smart zu schließen. Um das zu erreichen simuliert Mitigant Hackerangriffe: Ihre Software basiert auf dem innovativen Ansatz des Security Chaos-Engineering. Das Ziel ist es, Hackern einen Schritt voraus zu sein – anstatt ihnen hinterherzuhinken
Cyber-Security fasziniert Dr. Muhammad Sukmana seit seinem Studium in Köln. „Es passiert einfach immer etwas Neues“ , sagt er. Es gibt bei täglich neuen Fragestellungen neue Herausforderungen, neue Technologien. Dr. Muhammad Sukmana ist in Indonesiens Hauptstadt Jakarta aufgewachsen. Er liebt es zu lernen und er lernt schnell: Mit 15 beginnt er ein Studium in Malaysia, das er mit 18 abschließt. Er geht nach Köln, um hier an der Technischen Hochschule Köln seinen Master zu machen. Seinen Doktor macht er am Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam: Er forscht zu Cloud-Sicherheit – gemeinsam mit Kennedy Torkura aus Nigeria. Kennedy Torkura ist Experte im Bereich des Security Chaos Engeneering. Er hatte auch die Idee, aus ihrer Forschung ein Startup zu machen. Mitten in der Corona-Zeit ruft Kennedy Torkura an: „Hey, könnten unsere Forschungen nicht eine super Lösung sein für Firmen? Wollen wir das nicht an den Markt bringen?“ Und Muhammad Sukmana antwortet: „Klar, warum nicht?“
Sie gründen in Potsdam. Die Universität Potsdam und das Hasso-Plattner-Institut unterstützen sie. Und sie gewinnen zwei Mitgründer: Nils Karn, der am Hasso-Plattner-Institut zu Design Thinking geforscht hat, und Thomas Fricke, einer der wichtigen Experten in Deutschland in Sachen Cloud-Sicherheit. Ihre Achterbahn fährt steil nach oben: 2021 und noch einmal 2024 erhält ihr Unternehmen eine siebenstellige Finanzierung von Investoren und Business-Angels.
Mitigant hat bereits Kunden in Deutschland, der Schweiz, Dänemark und den Niederlanden. Sie arbeiten daran, der Champion für Cloud-Sicherheitslösungen zu werden – in Europa, und vielleicht darüber hinaus.
Dr. Muhammad Sukmana war gerade für Mitigant im Rahmen des ,Startup Scale Acceleration Program‘ des Bundeswirtschaftsministeriums viel unterwegs: Dubai, San Francisco, Paris, Brüssel, Berlin. Die Achterbahnfahrt hat gerade erst Fahrt aufgenommen.
Dr. Henri Knobloch
Seqstant GmbH
„Ich bin nicht so der ,Natural Born Founder‘. Das Thema war es, das mich überzeugt hat. Ich habe das Potenzial gesehen. Ich wusste, dass es sehr anspruchsvoll ist, aber dass ich es schaffen kann.“
Stürme, Strömungen, Untiefen: Auf hoher See kann es schnell um Leben und Tod gehen. Wie in der Medizin. Für Seefahrer war es eine große Erleichterung, als im 18. Jahrhundert der „Sextant“ erfunden wurde. Dieser erlaubt es, die Position eines Schiffs anhand der Gestirne zu bestimmen. Auf eine Seemeile genau. Mit einem kompakten Gerät. Auch in der Medizin gibt es solche Meilensteine. Zum Beispiel die Entdeckung, dass bestimmte Keime für Krankheiten verantwortlich sind – und sich durch Antibiotika bekämpfen lassen. Oder die Entschlüsselung des Erbguts – Gen-Sequenzierung.
Man könnte sagen: Mit seinem Unternehmen Seqstant will Dr. Henri Knobloch Medizinerinnen und Medizinern das bieten, was der Sextant den Seefahrern ist: Ein unkompliziertes und zugleich präzises Diagnosewerkzeug, das es leichter macht, den richtigen Kurs zwischen verschiedenen Therapieoptionen einzuschlagen. Zum Wohle der Patientinnen und Patienten.
Dr. Henri Knobloch hat mit seinem Team eine Methode entwickelt, die es möglich macht, Proben auf genetische Spuren der Erreger zu untersuchen: Bakterien, Pilze und Viren und zwar in Echtzeit und vollautomatisiert bis hin zum Befund und Therapievorschlägen. Mit einer eigens entwickelten Software.
In dieser Softwarelösung steckt eine lange Vorarbeit. Seqstant wurde als Unternehmen im Oktober 2021 gegründet. Entstanden aus einer Kooperation des Hasso-Plattner- und des Robert-Koch-Instituts. Angeschoben von einem EXIST-Forschungstransfer. Und weitergetrieben von einem inzwischen sechsköpfigen Team um die beiden Gründer Dr. Tobias Loka und Dr. Henri Knobloch, die ihre jeweilige Expertise einbringen.
Die erste Hürde hat das junge Startup genommen: Die ISO-Zertifizierung für die Herstellung und die Zulassung als In-vitro-Diagnostikum. Jetzt kann es wirklich losgehen. Seqstant sticht in See. Mit Seed-Kapital ausgestattet. Und der Absicht, mit einem skalierbaren Lizenzmodell in den nächsten 5 Jahren zum führenden Anbieter innerhalb Europas zu werden. Erste Gespräche mit Kliniken laufen schon. Es gibt Vor-Vereinbarungen mit großen Labordienstleistern. Das Unternehmen aus Teltow ist auf Kurs.